STECKBRIEF

GEBURTSDATUM: 01.10.2003

GRÖSSE: 1,69 m

SPANNWEITE: 1,70 m

GEWICHT: 52 kg

NATIONALITÄT: deutsch

WURFHAND: rechts

TEAM: Herner TC

SCHULE: Goethe-Gymnasium Dortmund

OFFENSIVE ROLLE: Freeze the D / Screens & Cuts / Transition Playmaking / primäre Ballhandlerin (WNBL)

DEFENSIVE ROLLE: Point of Attack / Passwege schließen

  • Steigen wir ein mit einer WNBL-Szene vom Oktober 2020: Gegen die Metropol Girls Recklinghausen nimmt Jule Groll zu Beginn des dritten Viertels einen Dreier vom Key. Nach dem Fehlwurf entsteht unter dem Korb ein Getümmel, die Situation ist unklar. Plötzlich rollt der Ball zur rechten Außenlinie – und plötzlich sprintet Jule, die sich als Safety bereits in Richtung Mittellinie orientierte, zu eben dieser Außenlinie, wirft sich aufs Parkett und hält den Ball in den eigenen Reihen. Das allein wäre bereits eine lobende Erwähnung wert. Doch jetzt steht Jule auch noch schnell auf, erkennt die Unordnung der gegnerischen Defense und läuft einen Cut zum Korb. Dort wird sie angespielt und steckt zu Hedda Köhne für einen recht unbedrängten Layup durch. Damit ist über Jule Grolls Hustle, Off-Ball-Movement und Team-Dienlichkeit bereits eine Menge Gutes gesagt.
  • Ihrer schmächtigen Statur zum Trotz generiert Jule defensiven Impact. Am Ball kann sie über das gesamte Feld eine sehr wendige und somit unangenehme Verteidigerin sein. Dabei ist sie jedoch nicht spekulativ auf den Steal aus. Rückt sie von der Corner in die Helpside ein, bedeutet das den ein oder anderen Steal im Passweg – obwohl sie keine furchteinflößende Helpverteidigerin ist. Doch sie profitiert davon, dass sie in den Passwegen über eine gute Antizipation verfügt. Und der bereits geschilderte Kampf um Loose Balls führt immer wieder zu Sprungballsituationen.
  • Besonders wohl scheint Jule sich in Transition zu fühlen, wo sie viele Assists verteilt und eigene Punkte erzielt. Mit und ohne Ball entwickelt sie hohes Tempo und sorgt für gutes Spacing. 1-on-0-Layups sind nicht unser entscheidendes Gütekriterium, doch allein die Readiness und das Spekulieren auf erzwungene Turnover zeigen, dass Jule eine offensiv denkende Spielerin ist, die das Spiel beschleunigen will. Bei Überzahlsituationen verfügt sie zudem über ein gutes Timing für den Durchstecker zur mitlaufenden Teammate. Diesen Teil des Spiels kann sie über längere Phasen regelrecht dominieren.
  • Im Halbfeld wiederum zeigt sie einige vielversprechende Ansätze von Playmaking. Sie ist eine Pass-first-Guard, die aus dem P&R nicht nur die abrollende Spielerin involviert. Auch aus eigenen Drives heraus sucht und findet sie häufig den Durchstecker oder Kickout an den Perimeter. Schnelle Richtungswechsel erlauben ihr das Nutzen von Re-Screens.
  • Die vielleicht größte Stärke in Jules offensivem Game ist ihre Bewegung abseits des Balles. Das Pass & Cut hat sie auf für ihr Alter beeindruckende Weise verinnerlicht. Immer sucht sie eine Anschlussaktion und setzt ihre Verteidigerin damit auch ohne Ball unter enormen Druck, weil sie wirklich schnell cuttet statt einfach nur gemächlich eine Position aufzufüllen. Am Perimeter passt sie ihre Position immer an den bestmöglichen Passwinkel der Ballhandlerin an: 0°, 45° oder 90 ° – Jule stellt immer den bestmöglichen Winkel her. In einigen Plays fungiert Jule als Blockstellerin abseits des Balles, z. B. bei Cross Screens in der Zone. Timing, Positionierung und Technik sind in diesem Bereich fast immer ausbaubar (z. B. tieferer Stand = Stabilität), doch Jule füllt diese Aufgabe bereits recht gut aus und verschafft der den Screen nutzenden Spielerin den ein oder anderen Vorteil. Profitieren kann ihr Team von ihren Screens perspektivisch auch deswegen, …
  • …weil Jule Groll Ansätze einer gefährlichen Shooterin zeigt. Am Perimeter fühlt sie sich wohl und trifft dort oft die richtige Entscheidung über Wurf, Pass oder Drive. Closeouts kann sie sehr aggressiv angreifen. Wenngleich ihr Shooting noch nicht konstant ist, zeigt sie eine gewisse Shooting Gravity. Genau aus diesem Grund kann die Defense sich bei den oben beschriebenen Screen-Situationen nicht komplett auf die cuttende Spielerin konzentrieren oder bei Screens außerhalb der Zone einfach under gehen, sondern muss auch Jules Pop zur Dreierlinie mitdenken. Das ist eine (abgespeckte) Form von Playmaking, die Mitspielerinnen Vorteile gibt.

  • Nicht alle physischen Nachteile kann Jule am defensiven Ende mit Hustle und Antizipation ausgleichen. Gegnerische Teams picken sie teilweise gezielt heraus, um sie mit Ball und Off Screens zu attackieren. Zu häufig bleibt sie in Blöcken hängen oder wird sogar sehr hart getroffen. In der Folge entstehen ihrem Team Nachteile und als letzter Strohhalm bleibt dann das Switch auf Mismatches. 
  • Eine andere defensive Baustelle ist Jules Verhalten bei Closeouts. Diese wirken hin und wieder unbalanciert und ermöglichen der Ballhandlerin recht einfache Entscheidungen über Wurf oder Drive. Problematisch sind Shot Contests ins Leere: Jule springt zu häufig und hat dann keine Chance mehr, ihre Gegenspielerin zu halten.
  • In der WNBL tritt Jule als recht balldominante Spielerin auf, die einige P&R-Situationen läuft. In der DBBL ist ihre Rolle reduziert auf die in der Ecke lauernde Schützin – und zwar erst, sobald das Spiel entschieden ist … Hier erhält sie kaum Touches und die sich stellende Frage ist der Klassiker von Henne und Ei: Verhindern die Defizite im P&R-Playmaking eine größere Rolle in der DBBL oder fehlen ihr schlichtweg Wiederholungen auf höherem Niveau? In der WNBL handlet Jule das P&R eher durchschnittlich. Sie bindet mehr als eine Mitspielerin ein und besitzt ein gutes Timing für den Kickout oder Durchstecker. Gleichzeitig ist ihr eigener Drive quasi zu vernachlässigen, weil sie gegen physisch starke und unter dem Korb geparkte Verteidigerinnen nicht zuverlässig scort. Zu leicht lässt sie sich bei Drives aus ihrer Lane heraus forcieren, wodurch die Abschlüsse ineffizient werden. Der Wurf aus dem Dribbling ist eine Seltenheit. Hier und da mangelt es an Präzision der Pässe, was zu Ballverlusten führt. Unter dem Strich generiert sie in diesem so wichtigen Playtype zu wenige Vorteile für ihr Team; zu viele ihrer P&R-Possessions sind ein Stück weit leer
  • Aus Jules Stärken abseits des Balles resultiert der Wunsch, dass sie diese noch mehr in Richtung Korb ausleben möge. Ihre Cuts haben ein hohes Tempo und im Rücken der Defense oder mittels Give & Go ließe sich von dieser wendigen Spielerin deutlich mehr Schaden anrichten. 
  • Korrelieren sollte das mit ausgebauten Quoten vom Perimeter (DBBL: 30 % bei weniger als einem Versuch; WNBL: 23% bei mehr als vier Versuchen). Jule wird als Schützin ein Stück weit respektiert und kann hier positiv wie negativ streaky sein. Zwei, drei Airballs in kurzer Zeit können zwei, drei Treffer folgen – und umgekehrt. Ihr Selbstverständnis als Werferin und  ihre beeindruckende Arbeit für den freien Wurf legen den Grundstein, um eine konstant gefährliche Shooterin zu werden. Das Scouting zeigt aber auch, dass sie vermutlich wegen ihrer recht geringen Größe viel Kraft aus dem Armen nimmt und dabei die Knie, Hüfte, die Armbeugung und das Handgelenk vernachlässigt. Der Wurf aus dem Stand könnte mehr Vertikalität vertragen, die Füße stehen manchmal sehr eng beieinander. Auffallend ist, dass sie in der DBBL selbst bei einer sehr weit eingerückten Helpside nicht für den völlig freien Wurf gesucht wird, sondern die penetrierende Spielerin lieber den eigenen Abschluss forciert.

  • Perspektivisch wird Jule Groll eine Rollenspielerin im Backcourt sein. Sie ist keine Spielerin, die permanent Impact aufs Spielgeschehen nimmt, doch bestimmte Aufgaben erfüllt sie einfach zuverlässig. Insbesondere bei einer auf Tempo angelegten Spielidee kann ihr Gesamtpaket mit geschlossenen Passwegen und überdurchschnittlichem Playmaking und Scoring in Transition eine wichtige Bereicherung sein.
  • Als zweite oder dritte Ballhandlerin kann sie den Halbfeld-Angriff orchestrieren und eine primäre Ballhandlerin auch einmal entlasten. Vermutlich wird sie aber nicht die erste Option als P&R-Gestalterin werden.
  • Ihre physische und damit vor allem defensive Angreifbarkeit muss entweder gruppen- und teamtaktisch kompensiert oder in Kauf genommen werden angesichts der offensiven Vorteile, die sie kreiert. Damit diese überwiegen, sollte Jule an ihrer Gefahr abseits des Balles weiter arbeiten und per Cut und Dreier effiziente Scoring-Optionen herstellen.
  • Unbedingtes Plus ist ihre Einstellung, sich für keinen Infight zu schade zu sein und dem Spiel in jedem noch so kurzen Stint alles zu geben. Allein das Selbstverständnis, sich über diese Tugenden empfehlen zu wollen, spricht für die 17-Jährige.